Einführung in die Koreanische Handmassage
Es war am Ende meines letzten Akupunkturseminars, die Teilnehmer waren bereits entsprechend ausgelaugt, als wir einen
Vortrag über Koreanische Handakupunktur von Dr. You Song Mosch-Kang hörten. Ich war an diesem Tag gerade schrecklich
verkühlt, als ich lernte, dass sich das gesamte Gesicht (und auch die Nase) im Endglied des Mittelfingers widerspiegelt. Ich packte
die Gelegenheit am Mittelfingerendglied, suchte mit meinem Kugelschreiber sofort meine Nase auf und bearbeitete sie.
Anschließend suchte ich das „Mädchen für alles“ der Akupunktur, Dickdarm 4 (der Punkt wird in der Anfangsphase einer
Verkühlung gestochen) in meiner Hand auf (dort heißt der Punkt D 3) und beklebte ihn mit einem Akupressurpflaster. Es ist mir fast
peinlich zu erwähnen, dass natürlich meine Nase sofort aufhörte zu rinnen und dass ich am nächsten Tag wieder fit war.
Als uns am Ende des Seminars Frau Dr. Mosch-Kang eine Technik zeigte, wie sich die Mitglieder ihrer Familie in Korea abends
gegenseitig zur Entspannung die Hände massierten und ich, beflügelt von den neuen Erkenntnissen, meine Kollegen
durchmassierte, wurde mir sehr bald klar, dass das viel mehr war als nur eine Entspannungstechnik.
Nach meiner Rückkehr klagte meine Frau, eine überzeugte Schulmedizinerin, die für meine alternativen Tendenzen bestenfalls ein
müdes Lächeln übrig hatte, über Rückenschmerzen. Was mich wiederum nur ein Lächeln und eine kurze Handmassage kostete.
Das brachte mir die eheliche Duldung einer neuen Methode ein und dass mir meine Frau und meine Kinder seither bei
Schmerzzuständen jeglicher Art die Hand zur Behandlung hinhalten.
Es war nur mehr ein kleiner Schritt, diese Technik bei meinen Patienten einzusetzen und seit Herbst 1999 unterrichte ich diese
Methode, die ich logistisch richtig „Koreanische Handmassage“ nannte, an Wiener Volkshochschulen.
Eine persönliche Bemerkung: Als „geplanter“ Elektrotechniker – bevor ich meine Ausbildung zum praktischen Arzt begann war ich
als solcher auch beruflich tätig – neige ich zu systemischer und oft simplifizierender Betrachtungsweise. So hat es mich zum
Beispiel viel Zeit gekostet, ehe ich mein traditionelles Akupunkturwissen und die wichtigsten chinesischen Akupunkturpunkte
endlich übersichtlich auf einem A4-Blatt untergebracht hatte.
Mein Ziel war es in jedem Fall, das komplexe Wissen der Koreanischen Handakupunktur für jedermann brauchbar in einem
Büchlein, das in einer Handtasche Platz hat, unterzubringen und nach dessen Lektüre sich der Leser fragt: „Das war alles?“,
gleichzeitig aber ein effektives Werkzeug für Behandlung und Selbstbehandlung zur Hand hat.
Als überzeugter Schulmediziner erlaube ich mir, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die primäre Indikation für die
Akupunktur (und die Koreanische Handmassage basiert auf dieser) durch Funktionsstörungen bedingte, reversible Störungen
(darunter fallen auch häufig Schmerzen) sind. Ich weise also darauf hin, dass viele Probleme, die wir haben, durch irgendwelche
äußere und innere Faktoren bedingte Funktionseinschränkungen bzw. die mit diesen oft einhergehende Schmerzempfindungen
sind. Diese sind einer Behandlung mit Koreanischer Handtherapie gut zugänglich. Vor jeder Therapie, welcher auch immer, steht
aber die exakte schulmedizinische Abklärung der Erkrankung.
Die Grundlage der Koreanischen Handmassage ist die Koreanische Handakupunktur, Koryo Sooji Chim, Entdeckung im Herbst
1971 von Prof. Yoo Tae Woo, Korea.
Die Koreanische Handakupunktur baut auf den Grundgesetzen der Traditionellen Chinesischen Medizin auf und beinhaltet alle
Meridiane und Akupunkturpunkte.
Ihren Beginn nahm sie irgendwann 1971, als Prof. Yoo in der Nacht mit Kopfschmerzen aufwachte und intuitiv auf den Mittelfinger
seiner linken Hand blickte. Bei deren anschließender Untersuchung fand er eine druckschmerzhafte Stelle am
Mittelfingerendgelenk. Nach Nadelung dieser Stelle verschwanden die Schmerzen sofort. Er assoziierte die schmerzhafte Stelle
am Mittelfingerendglied mit der schmerzenden Stelle am Hinterkopf. Das war die Geburt einer neuen Methode. Nach und nach
„übersetzte“ er alle Körperakupunkturpunkte und -meridiane in die Hand
Anschließend führe ich als Beispiel die Anordnung der Organe in der Handfläche an. Analog kann man punktgenau die
Rückenmuskulatur und evtl. Verspannungen dieser an der Handrückseite sowie Störungen an den Extremitäten an den Fingern
lokalisieren.
Zeige- und Ringfinger entsprechen den oberen Extremitäten, Daumen und Kleinfinger den unteren Extremitäten, Kopf und Rumpf
finden sich am Mittelfinger. Die Innenseite der Hand korrespondiert mit dem Bauch, der Handrücken mit dem Körperrücken.
Mit der „Koreanischen Handmassage“ hat der Masseur die Möglichkeit, direkt energetischen Einfluss auf den Patienten zu
nehmen und punktgenau Funktionsstörungen schnell und effektiv in der Hand des Patienten zu behandeln. „Koreanische
Handmassage“ eignet sich besonders gut für Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates.
Ich erinnere mich gerne an den Patienten, der mit einem seit zwei Jahren bestehenden, schulmedizinisch bereits
ausdiagnostiziertem und therapeutisch aufgegebenem Peitschenschlagsyndrom meine Ordination aufsuchte und an allen
möglichen, daraus resultierenden Bewegungseinschränkungen litt. Ich verzichtete auf traditionelle chinesische Akupunktur und
massierte ihm nach dem im Buch beschriebenen Schema die Hand der Seite, auf der er die stärkeren Schmerzen verspürte.
Meine Betonung lag natürlich auf der verspannten Muskulatur seitlich der Wirbelsäule, die ich mit meinen abgewinkelten Zeige-
und Mittelfingerendgelenk bearbeitete. Nach zwei Sitzungen war er von Seiten der Wirbelsäule beschwerdefrei, gestand mir dann
auch, dass er seit einem Unterarmbruch wild ausstrahlende Missempfindungen, ausgehend von diesem Unterarm, hatte. Ich
massierte den Unterarm auf dem korrespondierenden Fingerglied der schmerzenden Seite – nach zwei Sitzungen war auch das
erledigt.
Vorteile und Nachteile der Methode sind schnell aufgezählt:
Ein wichtiger Vorteil ist die schnelle und gute Wirkung der Handpunkte, des Weiteren sind einfach alle Körperstellen für den
„Benutzer“ zugänglich und einen Daumennagel und eine freie Hand hat man meistens schnell zur Hand, das heißt, man trägt
seinen „Notfallkoffer“ immer mit sich. Apropos Notfallkoffer: Die klassischen Wiederbelebungspunkte der Koreanischen
Handmedizin sind die Fingerspitzen. Kommen sie in die Gelegenheit, einem Bewusstlosen Erste Hilfe zu leisten, so leisten Sie alle
Erste-Hilfe-Maßnahmen, die Sie gelernt haben, greifen Sie dann aber zur leichter zugänglichen Hand des Betroffenen und
pressen Sie mit Ihrem Daumennagel einige Sekunden der Reihe nach auf alle vier Fingerspitzen und auf die Daumenspitze.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie noch lange nicht in diese Gelegenheit kommen, aber wenn – denken Sie daran.
Dr. Georg Stefan Georgieff